Der Text von Krzysztof Pendereckis “Todesbrigade” umfasst ausgewählte Fragmente eines außergewöhnlichen und furchteinflößenden Dokuments, das während des Zweiten Weltkriegs verfasst wurde. Das Dokument heißt „Todesbrigade (Sonderkommando 1005)“ und ist das Tagebuch von Leon Weliczker, einem Juden, der 1943 als Teil eines Sonderkommandos gezwungen wurde, die Spuren der Nazi-Verbrechen durch die Ausgrabung und Verbrennung der Leichen der Opfer in der Gegend von Lviv zu verschleiern. Abgesehen davon werden Klänge der instrumentalen und elektronischen Musik sowie das Geräusch eines schlagendes Herzens brilliant miteinander kombiniert.
Diese Musik soll kein Vergnügen bereiten. Ihre Absicht ist es eher, Schmerz zu verursachen – physisch, mental und psychosomatisch. Durch ihre Vorliebe für das Hässliche, bis aufs Blut und in die Eingeweide gehende ist sie der Poesie von Tadeusz Różewicz oder den Gemälden von Francis Bacon nahe. Der Letztgenannte „bewältigte die Umwandlung / der gekreuzigten Person / zu hängendem, toten Fleisch“ (Tadeusz Różewicz, Francis Bacon, oder Diego Velázquez auf einem Zahnarztstuhl, 1994-1995). Die Todesbrigade ist wie die Filme „Clockwork Orange“ (Stanley Kubrick), „Funny Games“ (Michael Haneke) oder „There will be blood“ (Thomas Anderson). Das Problem ist, dass diese trotzdem Teil des Showbusiness sind (welches Kino in erster Linie ist). Pendereckis Musik in der „Todesbrigade“ ist das nicht.
Bevor wir die Musik weiter analysieren, ist jedoch ein besonderer Ort auf der Landkarte des Klangs im 20. Jahrhundert erwähnenswert – das Polish Radio Experimental Studio (PRES). Wir müssen uns erinnern, dass es eine Zeit in der Geschichte der Musik und der Technologie gab, in der es nicht möglich war, Klänge mithilfe der kleinen Box namens Smartphone zu erzeugen. Als das Interesse an generierten Klängen und Musique concrète wuchs, reagierten PRES und andere solcher Orte auf die neuen Bedürfnisse der Hörerschaft.
Das Studio wurde 1957 eingerichtet, zehn Jahre nach dem in Paris, sechs Jahre nach dem in Köln und zwei Jahre nach dem in Mailand. Es war also das vierte professionelle Zentrum für elektronische Musik in Europa. Józef Patkowski, ein bedeutender Musikwissenschaftler, Akustiker, Veranstalter von Musikveranstaltungen und später langjähriger Präsident des Verbands Polnischer Komponisten, war der Gründer von PRES und leitete es 28 Jahre lang, bis 1985. Im PRES wurde das erste polnische Tonbandwerk geschaffen: „Etüde für einen Beckenschlag“ von Włodzimierz Kotoński (ursprünglich die Filmmusik für „Albo rybka…“, ein Animationsfilm von Hanna Bielińska und Włodzimierz Haupe).
Diese Musik soll kein Vergnügen bereiten. Ihre Absicht ist es eher, Schmerz zu verursachen – physisch, mental und psychosomatisch.
An diesem Ort hat auch Penderecki 1963 seine 30-minütige „Todesbrigade“ (eine Kombination aus Rezitation und Tonbandmusik) in Kooperation mit Eugeniusz Rudnik, dem 2017 gestorbenen legendären Tonmeister, geschaffen. Der Text umfasst ausgewählte Fragmente eines außergewöhnlichen und furchteinflößenden Dokuments, das während des Zweiten Weltkriegs verfasst wurde. Das Dokument heißt „Todesbrigade (Sonderkommando 1005)“ und ist das Tagebuch von Leon Weliczker, einem Juden, der 1943 als Teil eines Sonderkommandos gezwungen wurde, die Spuren der Nazi-Verbrechen durch die Ausgrabung und Verbrennung der Leichen der Opfer in der Gegend von Lviv zu verschleiern.
Hier ist ein Ausschnitt aus dem Text: „Wir stehen in einer straffen Formation zwischen Leichen, umgeben von Blutgerinnseln. Wir wissen nicht, ob wir darauf warten, umgebracht zu werden oder noch eine weitere Nacht in dem Todesgefängnis zu verbringen, wie die drei Brigaden vor uns. Unser „Ober Juden“ Herr Fess meldet das Durchzählen. Wir sind zweiundvierzig. Wir können „Rechts um“ hören. Alle drehen sich nach rechts. Aber das Umdrehen geht wegen der Leichen um uns herum nicht so schnell wie im Lager. […] Wir verstummen, schauen uns an. Wir können Musik hören, die die Menschen auf dem Rückweg ins Lager begleitet. Es regnet. Ich wache auf. Ich kann Gestöhne hören. Ein neuer verfluchter Tag! Es ist sieben Uhr. Der Führer der Schutzpolizei schreit „Raus!“ Wir kommen alle raus. Wir sitzen jeweils zu fünft auf dem Boden, genau wie gestern Abend. Zechsführer zählt uns – die Zahl stimmt. Sie geben uns die doppelte Lagerration Brot und einen Liter süßen Kaffee. Wir stehen auf, haken uns unter den Armen ein und marschieren den gleichen Weg, den wir gestern hergekommen sind.“ Im Angesicht dieses detaillierten, leidenschaftslosen und sachlichen Berichts bleibt der Zuhörer schutzlos und hilflos zurück.
„Wir stehen in einer straffen Formation zwischen Leichen, umgeben von Blutgerinnseln. Wir wissen nicht, ob wir darauf warten, umgebracht zu werden oder noch eine weitere Nacht in dem Todesgefängnis zu verbringen, wie die drei Brigaden vor uns.“
Die Worte Wieliczkers werden von Tadeusz Łomnicki, einem der bedeutendsten polnischen Schauspieler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgelesen. Seine Stimme – direkt, kontrolliert, leidenschaftlich und klar – bleibt für immer im Gedächtnis eingebrannt; jeder Laut und jede Silbe haben eine eigene Farbe und Form. Das Werk wird mit einer brillianten Kombination aus elektronischen und instrumentalen Klängen einschließlich eines Herzschlags vollendet. Die Klänge sind nicht gerade bildhaft. Laut Eugeniusz Rudnik „bestand Pendereckis Größe darin, dass wir der Versuchung des Naturalismus widerstanden und nicht im Feuer aufbrechende Schädel zeigten, […] der Text des Autors wird sehr subtil, klug und feinfühlig übermittelt.“
Vor der geplanten Radiopremiere (welche das 20-jährige Jubiläum der Befreiung Auschwitz-Birkenaus kennzeichnen sollte) wurde das Werk im Januar 1964 öffentlich im Kammermusiksaal der Nationalen Philharmonie aufgeführt. Es wurde von visuellen Effekten begleitet, geschaffen durch rote und blaue Scheinwerfer. Das Publikum verließ den Saal geräuschlos, aber die Reaktionen der Zuhörer waren derart, dass das Werk erst 47 Jahre später erneut aufgeführt wurde.
Jarosław Iwaszkiewicz, ein Schriftsteller und Redakteur der monatlichen Twórczość, kommentierte die Veranstaltung wie folgt: „Was dem in behaglichen Sesseln in einem warmen Konzertsaal sitzenden Publikum dargeboten wurde, das schien die schlimmsten menschlichen Instinkte anzusprechen“ (Artikel „Maß und Waage“). Zygmunt Mycielski, ein Komponist und Redakteur von Ruch Muzyczny, schrieb: „Ich bin überrascht, dass ein Künstler von Pendereckis Rang ein solches realistisches Dokument mit dem Versuch, einen akustischen Rahmen zu schaffen, vermischt. Dies suggeriert sogleich, dass es sich um ein Kunstwerk handele. Kunst endet, wo echter Realismus beginnt“ (Artikel „Missverständnis“).
Die „Todesbrigade“ wurde während des Warschauer Herbstfestivals 2011 in absoluter Stille neuerlich aufgeführt (wieder im Kammermusiksaal der Nationalen Philharmonie, aber ohne die roten und blauen Scheinwerfer). In höchster Konzentration. Ohne Farben.