Die Verbreitung des Internets, und insbesondere der sozialen Medien, hat vielen seit Jahrhunderten bekannten Phänomenen eine neue Dimension verliehen. Das gilt auch für Desinformation und die Verbreitung von falschen Informationen (Fake News). Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass Streitigkeiten über die Vergangenheit etwas Natürliches sind und nicht immer mit dem Einsatz dieser Manipulationstechniken einhergehen müssen.

Desinformation und Fake News wurden in der Politik bereits vor Jahrhunderten eingesetzt – nur nicht unter diesem Namen. Die Verbreitung von Gerüchten diente dem Versuch, Rivalen im Kampf um die Macht zu diskreditieren, in Kriegszeiten verfolgten falsche Meldungen das Ziel, den Gegner zu verwirren oder einen für Dritte günstigen Konflikt heraufzubeschwören. Mit der Zeit wurde damit begonnen, Dokumente zu fälschen, um auf diese Weise den kursierenden Informationen mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Im 20. Jahrhundert gewann das Phänomen an Bedeutung und heute kann es – dank Internet und Sozialer Medien – jeden von uns betreffen. Wir alle können Opfer von falschen Meldungen werden, die von bestimmten Staaten, deren Geheimdiensten, von politischen Gruppen, aber auch von Einzelpersonen produziert werden.

Desinformation betrifft nach wie vor am häufigsten das politische Zeitgeschehen, ihr Einfluss auf geschichtliche Debatten und das kollektive Gedächtnis nimmt jedoch stetig zu. Der Grund hierfür ist, dass es sich dabei um einen sehr sensiblen Bereich handelt, der die Identität von Gruppen und Nationen prägt. Die Situation ist umso komplizierter, als Streitigkeiten über geschichtliche Ereignisse nicht nur unvermeidbar, sondern auch äußerst nützlich sind. Beginnen wir jedoch zunächst mit der Definition der Grundbegriffe.

 Ein Beispiel für damnatio memoriae (lat.: Verdammung des Andenkens): der auf das Jahr 199 n. Chr. datierte Septimius-Severus-Tondo, ein antikes Holzgemälde, das den altrömischen Kaiser Septimius Severus mit seiner Familie darstellt. Die beiden Söhne, Geta und Carcalla, regierten beide als Mitkaiser. Geta wurde von Carcalla ermordet, der später die Tilgung des Andenkens an seinen Bruder angeordnet haben soll, die Umrisse seiner Gestalt sind links zu sehen (Altes Museum, Berlin).

Desinformation ist die bewusste Weitergabe falscher oder manipulierter Informationen mit dem Ziel, die Empfänger dieser Informationen in die Irre zu führen und sie zu einer vom Autor der Desinformation beabsichtigten Reaktion zu verleiten.


Was versteht man unter Desinformation und Fake News?

Zu diesen Reaktionen gehören: das Ergreifen (bzw. das Unterlassen) bestimmter Handlungen, die Weitergabe der Desinformation, das Ändern des Verhaltens oder sogar der Weltanschauung (politische und religiöse Überzeugungen, Wertesystem). In Ausnahmesituationen kann sich die Desinformation nicht an eine Gruppe, sondern an eine aus irgendeinem Grund besonders exponierte Einzelperson richten (z. B. ein Staatsoberhaupt). Die Verbreitung von Desinformation kann auf verschiedene Arten erfolgen: schriftlich, in Form von Video- oder Tonaufnahmen, aber auch durch die mündliche Weitergabe von Gerüchten. Um ihre Reichweite zu erhöhen, werden Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen), prominente und angesehene Persönlichkeiten, Veröffentlichungen (Bücher, Broschüren, Flyer) und heutzutage in den meisten Fällen ein Medium von globaler Reichweite genutzt – das Internet.


Fake News sind nichts anderes als unwahre Meldungen, mit der Besonderheit, dass sie nicht irrtümlich (oder zu satirischen Zwecken oder für die im Internet so beliebten Pranks), sondern absichtlich verbreitet werden.


 

Nicht immer dienen falsche Meldungen der Desinformation, manchmal verfolgen sie auch profanere Ziele, wie z. B. die Erhöhung der Verkaufszahlen einer Zeitung oder der „Klickraten“ von Texten auf Internetportalen, wodurch sich die Werbeeinnahmen erhöhen. Leider wird der Begriff Fake News manchmal selbst Gegenstand von Desinformation, dann nämlich, wenn er im Zusammenhang mit wahren Meldungen verwendet wird, wodurch deren Glaubwürdigkeit untergraben wird. Fake News haben viele Gesichter: Sie können in Texten, in manipulierten Fotos, in Aufnahmen oder Dokumenten enthalten sein, aber auch künstlich erstellte Aufzeichnungen von authentischen Personen gehören dazu (Deepfake).

Manipulation

Nicht immer ist die Verbreitung von Desinformation mit Fake News verbunden. Im Gegenteil, andere Methoden der Manipulation sind bisweilen effektiver. Viele Jahre lang war die Zensur, v. a. in Diktaturen und totalitären Regimen, ein wichtiges Mittel, um die Gesellschaft zu täuschen. Durch das Zurückhalten wichtiger Informationen über ihr Umfeld wurden die Menschen in die Irre geführt und dazu verleitet, sich so zu verhalten, wie es den Machthabern gelegen kam. Heute ist das aufgrund der allgemeinen Zugänglichkeit des Internets um einiges schwieriger, wird jedoch von bestimmten Staaten weiterhin praktiziert. Zum Beispiel von China, einem Land, das nicht nur eine circa 300 000 Personen starke Armee von Internet-Zensoren beschäftigt, sondern leider auch auf die Unterstützung der größten IT-Unternehmen zählen kann. Das Ergebnis: Zahlreiche Internetseiten sind blockiert und viele Begriffe, die in Verbindung zur Opposition gegen das kommunistische Regime stehen könnten, werden von den Suchmaschinen nicht akzeptiert.


Eine der effizientesten Methoden der Manipulation beruht auf der Verwendung authentischer Informationen, Dokumente, Fotos, Filme und Aussagen berühmter Persönlichkeiten.


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Ein Beispiel für damnatio memoriae (lat.: Verdammung des Andenkens), d. h. der Entfernung aus dem Bild. Das Gemälde Die georgische Delegation bei Stalin im Kreml entstand 1936 und ist bis heute im Josef-Stalin-Museum in Gori zu sehen. Infolge stalinistischer Säuberungen verschwanden zwei Personen aus dem Bild: Eine direkt hinter Stalin, wahrscheinlich Nikolai Jeschow, er wurde schwarz übermalt. Bei der zweiten Person handelt es sich wahrscheinlich um Lawrenti Beria, der weniger geschickt weiß übermalt wurde (ganz rechts).
Photographer: Antoni Zakrzewski

Eine Manipulation kann auch darin bestehen, bestimmte Informationen aus ihrem Kontext zu reißen: Unter welchen Umständen wurde eine konkrete Aussage gemacht? Wann entstand das Dokument? Woher stammt das Foto? Auf diese Weise kann man Informationen eine völlig andere Bedeutung geben, als sie eigentlich haben. Eine weitere Manipulationstechnik besteht darin, nur bestimmte Ausschnitte aus Dokumenten, Interviews, Aufnahmen oder Fotografien zu nutzen, mit dem Ziel, die eigene These zu „rechtfertigen“. So ist es auch möglich, einer anderen Person die eigene Meinung in den zu Mund legen, vorausgesetzt, sie hat diese im Vorfeld zitiert (wobei etwas zu zitieren schließlich nicht automatisch bedeutet, dass man der jeweiligen Aussage zustimmt). In den sozialen Medien beruht die zuletzt genannte Technik darauf, einen Post auf Facebook oder Twitter weiterzuleiten und ihn dabei als seinen eigenen auszugeben.

Streit um die Vergangenheit

Als Wissenschaftszweig, der sich mit der Erforschung der Vergangenheit beschäftigt, ist Geschichte untrennbar mit Diskussionen und Debatten verbunden. Bereits Herodot, der erste uns bekannte Geschichtsschreiber, polemisierte in seinem Werk gegen verschiedene, zu seiner Zeit verbreitete geschichtliche Überzeugungen. In der Regel führen Historiker ihre Debatten auf Konferenzen, in Fachzeitschriften oder Büchern, bisweilen tragen sie ihre hitzigen Auseinandersetzungen jedoch auch in den Medien aus, wo sie dann von einem breiteren Publikum verfolgt werden. In der letzten Zeit haben viele Historiker die sozialen Medien für sich entdeckt und begonnen, ihre Kontroversen in diesem Forum auszutragen, was der Qualität derselben nicht immer zuträglich ist. Im Allgemeinen stützen sich die Diskussionen zwischen Wissenschaftlern jedoch auf Forschungsergebnisse, Quellenmaterialien, gesicherte Fakten usw. Der Streit an sich dreht sich nach wie vor um die Interpretation von Quellen, deren Relevanz für das Erkunden der Vergangenheit, die Bedeutung und Auslegung von historischen Ereignissen und Prozessen, die Rolle bestimmter Personen und Gruppen, die Genese und die Folgen von Ereignissen. Bei diesen Auseinandersetzungen wird nur selten manipuliert und Versuche, Falschinformationen zu nutzen, werden schnell entlarvt.

Anders verhält es sich mit Erinnerungskonflikten, die Gesellschaften spalten oder Spannungen zwischen Völkern verursachen. Während Geschichte versucht, mit all den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Wahrheit über die Vergangenheit zu ergründen, ist Gedenken eine Vorstellung des Vergangenen, die in erster Linie durch familiäre Narrative, durch Literatur und Filme, den Schulunterricht und seit einigen Jahrzehnten auch durch Computerspiele geprägt wird. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten von Historikern formen das Gedenken in der Regel nur indirekt. Oft wird dasselbe Ereignis von verschiedenen Gruppen einer Gesellschaft oder von verschiedenen Nationen unterschiedlich erinnert. Das ist normal, kann aber bisweilen auch gefährlich werden. War die Vergangenheit mit Gewalt verbunden – Krieg, Bürgerkrieg, Besatzung, Diktatur, Massenrepressionen – verschärfen sich die Unterschiede. Sind diese Unterschiede im allgemeinen Geschichtsbild besonders stark ausgeprägt, spricht man von Erinnerungskonflikten. In den meisten Fällen betreffen sie Ereignisse, die noch nicht allzu lang zurückliegen, in der Regel sind das die Gräueltaten des 20. Jahrhunderts. Manchmal reichen die Konflikte jedoch weiter zurück – so spaltet das Gedenken an den Sezessionskrieg die Vereinigten Staaten noch heute und Griechen und Mazedonier streiten sich seit Jahren erbittert um das Erbe von Alexander dem Großen. Manchmal greifen diese Streitigkeiten auf die Straße über und führen dort zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Unruhen.


Erinnerungskonflikte sind mit starken Emotionen verknüpft, weshalb sie leider häufig von Desinformation, Manipulation und Fake News begleitet werden.


 

Unruhen nach der Entfernung des Denkmals der Befreier Tallinns (des sog. Bronze-Soldaten), das an den Sieg der Roten Armee und die „Befreiung“ Estlands im Jahr 1944 erinnert. Die Zusammenstöße zwischen den Demonstranten (die hauptsächlich der russischen Minderheit angehörten) und der Polizei forderten ein Menschenleben. Tallinn, Estland, April 2007  

Gegen Erinnerungskonflikte verstärkende Falschinformationen vorzugehen ist umso schwieriger, als sie oft von organisierten Gruppen und manchmal sogar von staatlichen Strukturen produziert und verbreitet werden. Ja mehr noch: Manchmal verletzen sogar Historiker ihren Berufskodex, indem sie das Geschichtsbild einer ihnen nahestehenden Gruppe festigen, anstatt der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Desinformation ist ein gefährliches Phänomen, das man jedoch bekämpfen kann.
Mit unserem Aufklärungspaket möchten wir dir zeigen, wie du geschichtliche Wahrheit von historischen Fake News unterscheiden und dich vor Manipulation schützen kann.

Redaktion: Gemra