Dies ist nicht der Fall bei den Opern von John Adams (*1947), einem amerikanischen Komponisten der Instrumenalmusik (er erhielt den angesehenen Grawemeyer Preis für sein Violinkonzert), Kammermusik und Filmmusik („Io sono l’amore“ unter der Regie von Luca Guadagnino). Gleichzeitig ist er Minimalist mit einem Sinn für die Romantik. Die Protagonisten der von Alice Goodman geschriebenen Librettos – „Nixon in China“ (1987) und „The Death of Klinghoffer“ (1991) – sind Figuren aus der jüngsten Geschichte. Die Oper aus drei Akten „Nixon in China“ spielt 1972 in Peking und erzählt die Ereignisse um den ersten Besuch des Präsidenten der Vereinigten Staaten in China nach. Die Stimmverteilung ist sehr interessant: Präsident Nixon ist ein Bariton, seine Frau Pat ein Sopran, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Chinas, Mao Zadong, ein Tenor, der chinesische Premierminister, Chou Enlai, ein Bariton und Nixons Berater Henry Kissinger ein Bass. Sie alle sind definitiv reale Figuren. Tatsächlich waren einige von ihnen – bis auf Mao Zedong, dem chinesischen Oberhaupt von 1949-76, und Premierminister Chou Enlai, im Amt von 1949 bis zu seinem Tod – zum Zeitpunkt der Uraufführung noch am Leben (Kissinger, der Nationale Sicherheitsberater und amerikanische Außenminister, weilt noch unter uns).

Im ersten Akt beobachten wir den Anfang des amerikanischen Besuchs: Willkommen am Flughafen (Szene 1), erste Gespräche (Szene 2) und ein Bankett (Szene 3). Man kann die Distanz und das gegenseitige Missverständnis spüren. Im zweiten Akt sehen wir, wie die First Lady die Denkmäler Pekings besichtigt, sowohl die aus früheren Zeiten als auch die aus der kommunistischen Ära (Szene 4). Abends besuchen die Gäste die Pekinger Oper, wo sie das revolutionväre Ballett „The Red Detachment of Women“ anschauen (Szene 5). Der dritte Akt zeigt den letzten Abend der Amerikaner in Peking. Sie fragen sich, ob der Besuch erfolgreich war und ob er historisch bedeutungsvoll sein wird. Die Antwort lautet ja, aber beide Staatsoberhäupter fragen sich, ob der Besuch sie der Erfüllung ihrer jugendlichen Träume nähergebracht hat. Mao Zedong wollte die Leitbilder der Kulturrevolution in die Realität umsetzen (aber hat er jemals über die Zahl der Opfer nachgedacht?), während Nixon von einem Hamburger-Stand träumte (fasst dies die Haltung des einzigen amerikanischen Präsidenten, der aufgrund des Watergate-Skandals vor Ende seiner Amtszeit zurücktrat, zur Politik zusammen?). Nur der alte Premierminister Chou Enlai (1898-1976) ist frei von allen Wünschen und Träumen und wartet nicht auf etwas.

Der Fall „The Death of Klinghoffer“ ist ein ganz anderer: Das Libretto erzählt die Geschichte der Entführung eines Luxus-Kreuzfahrtschiffes, der Achille Lauro, durch vier Terroristen der Palästinensischen Befreiungsfront im Oktober 1985. Nachdem sie das Schiff mehrere Tage lang in ihrer Gewalt behielten und mehrere Versuche gescheitert waren, in Syrien und Zypern anzulegen, entschieden sich die Terroristen, eine Botschaft an die Welt zu senden. Sie wählten Leon Klinghoffer aus einer großen Gruppe Amerikaner aus – einen pensionierten Unternehmer jüdischer Herkunft, der nach zwei Herzinfarkten an den Rollstuhl gefesselt war und die Kreuzfahrt zusammen mit seiner Frau und seinen Freunden zur Feier des 36. Hochzeitstages unternahm. Die Terroristen brachten ihn auf das offene Achterdeck und erschossen ihn dort. Sie zwangen Mitglieder der Besatzung, die Leiche ins Meer zu werfen, den Rollstuhl loszuwerden und die Blutflecken zu entfernen.

Diese Ereignisse sind der Mittelpunkt des Librettos zu Adams Oper in zwei Akten und einem Prolog, in welchem der Chor der Exil-Palästinenser den Verlust ihres Heimatlandes nach der Gründung des Staates Israel betrauert und der Chor der Exil-Juden sich über ihr Schicksal als umherwanderndes Volk auf der Suche nach dem gelobten Land beklagt. Der erste Akt erzählt die Ereignisse um die Entführung aus verschiedenen Perspektiven (Kapitän, schweizerische Großmutter, österreichische Frau und die Terroristen: Molqi und Mamoud). Wir lernen die Emotionen der Protagonisten kennen, wie die der schweizerischen Großmutter, die erleichtert ist, keine Jüdin zu sein, oder der österreichischeren Frau, die sich in ihrer Kabine einschloss, um so weit wie möglich von Idioten fernzubleiben. Am wichtigsten ist jedoch der Einblick, den Adams und Goodman uns in die Gefühle der Terroristen geben: Mamoud, der bereit ist, für die Sache zu sterben, verspottet die Passagiere, sucht nach einem Radiosender mit seiner arabischen Lieblingsmusik und beneidet Vögel um deren Freiheit.

Der zweite Akt beschleunigt die Handlung, abgesehen von der vielseitigen Eröffnung durch den Chor, welche sich auf die biblische Geschichte des Hasses zwischen Sara und Hagar und deren Rivalität für Abrahams Liebe und Nachkommen bezieht. Als Mamoud den Passagieren mitteilt, dass sie sterben werden, fleht Klinghoffer um Gnade für sich und seine Frau. Vergebens. Ein Konflikt zwischen den Terroristen führt zu dem Tod des Mannes.
In „The Death of Klinghoffer“ ähnelt Adams statische und meditative Musik einem Oratorium. Es erinnert an die barocken Passionen aus Bachs oder Händels Oratorien (wie zum Beispiel „Israel in Egypt“). Das Libretto besteht aus Monologen, manchmal simultan, durchsetzt mit Kommentaren des Chores. Das Finale ist das beeindruckendste Element: Zuerst hören wir das Lebewohl, dann eine abgebrochene Arie des ertrinkenden Klinghoffers (mit dem Gebet „May the Lord...“), dann den trauernden Chor und schließlich die Klage der Marilyn Klinghoffer. Ihre Worte „You embraced them!“ spiegeln sowohl ihre Wut als auch ihre Hilflosigkeit wider.